Agrarflugmuseum in Kyritz-Heinrichsfelde, Flugplatz 3

Gelbe Flieger über großen Ackerflächen

Seit 1911 wurde die Technik des Agrarfluges in Deutschland entwickelt. Eine große Rolle spielten die Schädlingsbekämpfer und Düngerstreuer der Lüfte dann in der DDR. Allein von Kyritz aus waren bis zu 85 Flugzeuge im Einsatz. Dort, im Ortsteil Heinrichsfelde, lässt sich heute ein Agrarflugmuseum mit Großexponaten besuchen.

Der an der Bundesstraße 5 südlich von Kyritz gelegene Flugplatz diente im Zweiten Weltkrieg als Notlandeplatz. 1953 begannen Flugsportinteressierte hier mit dem Segelflug, bekamen dafür 1956/57 eine eigene Halle mit Werkstatt und Schulungsraum. Fast gleichzeitig wurde der Platz 1957 zur Basis für Agrarflugzeuge bestimmt, zunächst noch als Abteilung Wirtschaftsflug der DDR-Lufthansa, seit 1960 als Betrieb Agrarflug der DDR-Gesellschaft Interflug. Die zentral in einer von der Landwirtschaft geprägten Region liegende Anlage bot gute Voraussetzungen für den Aufbau einer solchen Abteilung. Von 1961 bis 1963 wurde ein Hangar für die Luftwerft errichtet. Der Hangar und seine Nebengebäude waren der Arbeitsplatz für mehr als 60 Mechaniker, Ingenieure und Verwaltungskräfte, hier wurden die Flugzeuge gewartet und repariert. Am 26. Juni 1965 wurde der Stützpunkt vollständig übergeben.

Der weltweite Agrarflug geht auf eine von Oberförster Alfred Zimmermann (1875–1964) aus Detershagen bei Magdeburg entwickelte Idee zurück. Für die Bekämpfung von Waldschädlingen sollten die Bäume effektiv mit Chemikalien aus der Luft bestäubt werden. Dafür erhielt Zimmermann 1911 ein Patent. Vor allem die Nonnenraupe verursachte damals erhebliche Schäden in deutschen Wäldern.

Allerdings begann der Einsatz von Luftfahrzeugen in der Land- und Forstwirtschaft sehr schleppend, weil es zunächst an leistungsfähigem Gerät fehlte. Versuchsweise wurden auch Luftschiffe verwendet, ehe erst 1925 praktische Einsätze mit einer umgebauten Fokker-Grulich F II folgten. Seit 1928 verteilten Junkers-Flugzeuge im großen Stil Schädlingsbekämpfungsmittel in deutschen Wäldern, nachdem die ersten Junkers F13 dafür 1925 umgebaut worden waren. Die Technik war nun nicht mehr aufzuhalten: So stellte das Forst- und das Luftfahrtministerium des Deutschen Reichs 1936 in Berlin-Tempelhof dafür ein eigenes Flugkommando mit sechs umgebauten Bombern Dornier Do23 auf. Später wurde diese Flotte auf 60 Maschinen erweitert.

Daran knüpfte die Agrarwirtschaft der DDR an, welche mit den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) große Betriebseinheiten bildete und damit immer größere Flächen bewirtschaftete. Die sollten nun mit langsam fliegenden Flugzeugen aus der Luft gedüngt und mit Schädlingsbekämpfungsmitteln behandelt werden. Der Betrieb begann mit der aus der Tschechoslowakei (CSSR) stammenden L-60. Zu einem weit verbreiteten Arbeitstier in der DDR aber wurde seit 1968 die gut handhabbare und robuste Z-37 Čmelák („Hummel“), ebenfalls in der CSSR gefertigt. Außerdem kamen der sowjetische Doppeldecker Antonow AN-2, die polnische M-18 Dromader („Dromedar“) sowie der sowjetische Hubschrauber Kamow KA-26 zum Einsatz.

Nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 forcierte die DDR den Agrarflug erheblich. So wuchs der Betrieb Kyritz in den 1970er Jahren auf 115 Beschäftigte und 70 Luftfahrzeuge, die ihre Leistungen in den Bezirken Potsdam, Schwerin, Frankfurt/Oder und Cottbus erbrachten. 1979 wurde die Segelfliegerei auf dem Platz eingestellt. 1981 entstand ein eigenes Verwaltungs- und Sozialgebäude. Seit 1978 setzte der Agrarflug Kyritz auch Löschflugzeuge bei Waldbränden ein und war schließlich vor dem Ende der DDR für ein Gebiet von der Ostsee bis zum Bezirk Dresden mit 125 Mitarbeitern und 85 Flugzeuge zuständig.

Allerdings waren die vielen gelb lackierten Flugzeuge nie gleichzeitig in Kyritz, sondern fielen überall in der DDR auf, weil sie langsam und relativ tief ihre Bahnen über die großen Felder zogen. Für den alltäglichen Betrieb gab es Arbeitsflugplätze, auf denen die Maschinen betankt, beladen und bei Bedarf repariert wurden. Dies waren mehr oder weniger brauchbare Wiesen, die eine Startbahnlänge zwischen etwa 700 und 420 Metern benötigten. Bei letzterem Maß ließ sich die gutmütige Z-37 noch verwenden, andere Maschinen benötigten mehr Platz. Die Flugzeuge sollten dann laut Vorschrift zum Düngen in höchstens drei Kilometern Entfernung, bei der Schädlingsbekämpfung bis zu zehn Kilometer weit eingesetzt werden.

Da die Nutzlast begrenzt beziehungsweise während des Einsatzes relativ rasch verteilt war, musste der Pilot ständig starten und landen – und das bei fast jedem Wetter. In jüngerer Zeit halfen Autokrane und Beladeeinrichtungen auf den Arbeitsflugplätzen beim raschen Füllen der Vorratsbehälter. Angesichts der äußeren Bedingungen wurde von den Piloten viel fliegerisches Können verlangt, zumal sie ohnehin eng mit den Kräften der Maschine und den Naturgewalten umgehen mussten. Dies lässt sich im Agrarflugmuseum gut nachvollziehen.

Nach der Wende stellte der Agrarflug in Kyritz wegen der veränderten Strukturen in der Landwirtschaft seinen Betrieb ein. Zudem lassen sich die Felder heute mit digital gesteuerten Bodenfahrzeugen vielfach effektiver düngen und behandeln. Einige Jahre länger blieben die Löschflugzeuge noch im Einsatz, ehe der ganze Flugplatz Kyritz auf der Kippe stand.

Doch 1999 bekam der Flugplatz dann erstmals eine Asphaltpiste mit Rollfeld für Flugzeuge bis zu 5,7 Tonnen Gewicht: Die 1.000 Meter lange und 23 Meter breite Start- und Landebahn nutzen heute kleine Luftfahrt-Unternehmen, eine Flugschule für Verkehrspiloten und ein Flugsportclub. 2010 gründete sich der Förderverein Agrarflug Kyritz e.V. und eröffnete zwei Jahre später mit Unterstützung der Stadt Kyritz in der Werkstatthalle am alten Hangar sein Agrarflugmuseum.

Sven Bardua

https://agrarflug-kyritz.de