Altes Schöpfwerk Vehlgast

Leben und Arbeiten in der „Wasserlandschaft“

Das alte Schöpfwerk in Vehlgast hat für den Ort und für die umliegende Landschaft eine hohe kulturelle Bedeutung. Hier wird sichtbar mit welchen technischen Mitteln das Leben und Arbeiten in dieser „Wasserlandschaft“ ermöglicht wurde. Das Bauwerk und die teilweise noch vorhandene technische Ausrüstung dokumentieren dies in hervorragender Weise.

Erst unter Dampf, dann mit Windkraft und Drehstrom

Auch wenn Vehlgast, seit 2002 Teil der Einheitsgemeinde Havelberg, heute politisch zum Land Sachsen-Anhalt gehört, ist es historisch Teil der Prignitz.

Das 1901 in Betrieb genommene Dampfschöpfwerk in Vehlgast diente zur Entwässerung der regelmäßig vom Hochwasser der Havel bedrohten Felder. Auch die wichtige Verbindungsstraße nach Damerow galt es vom Wasser freizuhalten.

Erhalten ist heute davon noch das Maschinenhaus mit einer der ursprünglich zwei Pumpen (Baujahr 1900). Es handelt sich damit um eines der letzten dampfbetriebenen Polderpumpwerke Deutschlands, von dem noch Originalsubstanz vorhanden ist. Ursprünglich standen im Maschinenhaus zwei sogenannte Kreiselpumpen nebeneinander: eine etwas größere und eine etwas kleinere, wobei die kleinere die Hauptlast trug. Die große wurde nur bei besonderen Lagen zugeschaltet. Beide Pumpen stammen von der Berliner Maschinenfabrik Cyclop, Mehlis & Behrens. Die beiden zugehörigen Dampfmaschinen, die sich zwischen den Pumpen befanden, waren mit einem Zylinderdurchmesser von 250 Millimetern mm und einem Kolbenhub von 500 Millimetern jeweils gleich groß dimensioniert und trieben die Pumpen direkt an. Der Dampf wurde aus dem Kesselhaus nebenan zugeführt. Je nach Zylinderfüllung leisteten die beiden Dampfmaschinen zwischen 65 und 90 PS. Der Dampfdruck für den Betrieb betrug 7 Bar. Allein die kleinere, heute noch erhaltene Pumpe war in der Lage, 45.000 Kubikmeter auf 1,61 Meter bei täglich zwölfstündigem Betrieb zu fördern, das sind 3.750 Kubikmeter pro Stunde, bzw. ca. 1 Kubikmeter pro Sekunde.

Nachdem das Dampfschöpfwerk ein Vierteljahrhundert seinen Dienst erfüllt hatte, kam es bereits in der zweiten Hälfte der 1920er Jahren, nicht zuletzt wegen der Kohleverteuerung nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland, zu einem grundlegenden Umbau. Dabei handelte es sich um eine gleich zweifache technologische Transformation: Einerseits eine Umstellung auf den nun auch zunehmend auf dem 'platten Land' zugänglichen Drehstrom, andererseits eine Umstellung auf Windkraft. Diese hatte durch das Angebot von (ihrer ursprünglichen Herkunft nach) sogenannten Texasmühlen noch einmal ganz eigene Konjunktur. Die neuen „Stahl-Windturbinen“ mit „bester Stromlinienform der Flügel“ hatten nur noch wenig mit den Windmühlen aus früheren Zeiten zu tun. Dennoch mussten sie damals noch gegen das Vorurteil von Windkraft als einer überholten Technik ankämpfen. So trug ein Prospekt der Firma „Friedrich Köster, vorm. J.M. Voss, Heide i. Holstein“ aus dem Jahr 1925 die fast schon aeronautische Überschrift: „Der Windkraft-Propeller 'Adler‘“ Und genau diese im Prospekt beschriebene Windmühle wurde im Paket mit einer archimedischen Wasserschnecke zum „Aufmahlen“ des Wassers auch in Vehlgast verbaut. Überreste solcher Windmühlen sind heute äußerst selten. Im heutigen Schöpfwerk sind insbesondere mit den Fundamenten für die Windmühlen noch deutliche Spuren zu erkennen. Auch die noch erhaltene Elektro-Antriebstechnik von 1926 mit Schleifring-Läufer-Motor in Verbindung mit der verbliebenen zweiten, jetzt über Transmissionsscheibe angetriebenen Schöpfwerkspumpe darf wohl als einzigartig bezeichnet werden. Während das Windrad bereits gegen Ende des 2. Weltkrieges wieder abgebaut wurde, war die Pumpe noch bis 1979 in Betrieb. Dann wurde das alte Schöpfwerk durch ein neues direkt nebenan ersetzt. Bereits zu DDR-Zeiten wurde es aber in eine Liste von Denkmälern der Verkehrs- und Produktionsgeschichte aufgenommen, und nach der deutschen Wiedervereinigung 1992 in das Denkmalverzeichnis des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt.

Nach der Gründung des Fördervereins „Altes Schöpfwerk Vehlgast e.V“ 2011 ist es schließlich komplett instandgesetzt und, in Abstimmung mit der Denkmalpflege, um ein neues Obergeschoss erweitert worden.

Seit 2021 ist eine Ausstellung zur Geschichte des Alten Schöpfwerkes im ehemaligen Maschinenraum neben der originalen Pumpe aus dem Jahr 1900 zu sehen: Dabei geht es nicht nur um Technikgeschichte, sondern auch um den engen Zusammenhang von Hochwasserschutz, Meliorationstechnik für die Landwirtschaft sowie auch um Fragen des Naturschutzes.

Weitere Informationen unter https://altes-schoepfwerk-vehlgast.info/