Vor allem für den Güterverkehr wichtig
Die Eisenbahnlinie von Neustadt (Dosse) nach Pritzwalk und Meyenburg wurde am 11. Dezember 1887 eröffnet. Damit erhielt die Stadt Kyritz ihren langersehnten Anschluss an das Eisenbahnnetz. Bis dahin galt die sechs Kilometer entfernte Station Zernitz an der 1846 in Betrieb genommenen Berlin-Hamburger Eisenbahn als „Bahnhof“ für Kyritz. Dorthin gab es damals eine neu erbaute Chaussee, die einige Jahre später sogar über Kyritz hinaus bis Wittstock verlängert wurde.
Als Kreisstadt der Ostprignitz war Kyritz eine wichtige Station zwischen der verstaatlichten Berlin-Hamburger Eisenbahn und der dann 1885 durchgängig eröffneten Strecke Perleberg–Pritzwalk–Wittstock. Letztere wurde von privatrechtlich geführten Gesellschaften betrieben. Intensive Diskussionen über den Bau von Bahnlinien in der Prignitz gab es schon seit 1871. Die Politik des preußischen Ministers für öffentliche Arbeiten Albert von Maybach aber zielte auf eine weitgehende Verstaatlichung der Eisenbahnen ab und ließ weitere Privatbahnen kaum noch zu. So versagte der Minister dem Komitee der Ostprignitzschen Bahn zwischen Neustadt und Pritzwalk am 16. September 1884 zunächst den Bau der Strecke. Er forderte unter anderem eine höhere Beteiligung des Staates, so dass der Ostprignitzer Kreistag im Februar 1885 beschloss, den für die Strecke erforderlichen Baugrund dem Staat unentgeltlich zu überlassen. Dafür erwarb der Kreis von 400 Besitzern etwa 1.000 Parzellen. Auf diese Weise erreichte man, dass 1886 mit dem Bau der Strecke begonnen werden konnte, sodass die preußische Staatsbahn sie Ende 1887 in Betrieb nehmen konnte.
Die Bedeutung von Kyritz drückt sich auch in dem großzügigen Empfangsgebäude aus. Wie auch Wusterhausen und Meyenburg ist es ein zweigeschossiges, aus gelben Ziegeln errichtetes Gebäude mit flachem Satteldach parallel zu den Gleisen und eingeschossigen Anbauten für Gaststätte und Güterschuppen. Einschließlich des separaten Aborthäuschens, zweier Eisenbahner-Wohnhäuser und des jüngeren Stellwerksvorbaus auf der Bahnsteigseite blieb das Empfangsgebäude vortrefflich erhalten.
Von wichtigen Nord-Süd-Verbindung profitierte auch der Bahnhof Neustadt (Dosse), wo die Waggons mit landwirtschaftlicher Fracht aus Mecklenburg und der Prignitz zu Durchgangsgüterzügen zusammengestellt wurden. Vom Bahnhof Kyritz selbst führten Anschlussgleise zur alten Molkerei gegenüber, zur Stärkefabrik im Osten der Stadt sowie im Süden zur Getreidewirtschaft, zur neuen Molkerei und zum Kühlhaus. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die Deutsche Reichsbahn die Nebenbahnen in der Prignitz vielfach sogar für den Durchgangsgüterverkehr, um die wegen der Demontage oft nur eingleisig oder gar nicht befahrbaren Hauptbahnen zu entlasten. So fuhren Güterzüge von Magdeburg nach Rostock über die Städtebahn nach Neustadt (Dosse) und weiter über Pritzwalk nach Norden.
Auch der Personenfernverkehr nutzte die Linie Neustadt–Pritzwalk unter anderem für D-Züge zwischen Rostock und dem Süden – allerdings ohne Halt in Kyritz. Tatsächlich hatte der Personenverkehr für Kyritz stehts nur lokale Bedeutung. Seit 1997 erbrachte die Prignitzer Eisenbahn den Personennahverkehr auf der Relation Pritzwalk–Neustadt, seit 2012 ist es die Eisenbahngesellschaft Potsdam beziehungsweise deren Schwesterunternehmen Hanseatische Eisenbahn GmbH. Einen gewissen Umsteigeverkehr gab es einst zum 1969 stillgelegten Kleinbahnhof. Fahrgäste erreichten ihn über einen sehr urtümlichen Fußgängertunnel, der die Gleise der Staatsbahn auf der Südseite des Bahnhofs unterquert.
Text: Sven Bardua