Straßenmaut im 19. Jahrhundert
Der im frühen 19. Jahrhundert in Preußen begonnene Bau von Chausseen bedeutete einen gewaltigen Fortschritt für den Fernverkehr, denn Eisenbahnen kamen erst allmählich zum Zuge. Statt ausgefahrener und sich über das Land schlängelnder Wege, die durch täglichen Gebrauch entstanden waren, gab es nun für die Kutschen, Viehtreiber und Fußgänger „Kunststraßen“: Diese neu trassierten Chausseen hatten weniger Kurven, geringere Steigungen und gewalzte, regelmäßig gepflegte Schotterfahrbahnen auf einem soliden Unterbau. Um den Bau und den Unterhalt dieser Straßen zu finanzieren, wurde eine Maut erhoben, die an Chausseehäusern entrichtet wurde. In Heinrichsfelde, zwischen Kyritz und Wusterhausen, blieb ein solcher Bau erhalten.
Das Einnehmerhaus wurde für die von 1827 bis 1830 zwischen Berlin und Hamburg entstandene Chaussee errichtet. Die Gestalt der an dieser Route erbauten Chausseehäuser wurde stark vom Baumeister Karl Friedrich Schinkel beeinflusst. Die Strecke war Teil der von Preußen in Auftrag gegebenen Kunststraße zwischen Gleiwitz in Oberschlesien und das 1858 erreichte Bredstedt in Nordfriesland (später bis Dänemark verlängert). Der erste Abschnitt dieser im 20. Jahrhundert als Fernverkehrsstraße 5 beziehungsweise Reichs- oder Bundesstraße 5 bezeichneten Route war 1803 zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) in Betrieb genommen worden.
Heinrichsfelde ist ein Wohnplatz der Stadt Kyritz. Seit 1794 gab es hier eine Ziegelei, die 1846 in ein Gutsbetrieb umgewandelt und Heinrichsfelde genannt wurde. Im selben Jahr wurde die Chausseegeld-Erhebung zur Pacht öffentlich versteigert. Um 1860 umfasste die kleine Siedlung ein Vorwerk, ein Chausseehaus und ein Forsthaus mit fünf Wohngebäuden. Das Chausseehaus war in Preußen üblicherweise eine Kombination von Einnehmer- und Wärterhäusern. Denn die Chausseewärter sollten ursprünglich in den benachbarten Dörfern wohnen. Doch dann baute man ihnen eigene Häuser, damit sie näher am Arbeitsplatz waren. Wenn sie direkt bei den Einnehmern wohnten, war auch die Vertretung der Einnehmer und die Bewachung der Kasse gesichert. So gab es in den preußischen Chausseehäusern außer dem Einnehmer in der Regel zwei Wärter. Da ein Chausseewärter jeweils eine halbe Meile der Straße zu beaufsichtigen hatte, durften die Häuser maximal 1,5 bis 2 Meilen auseinander stehen. Eine Meile entsprach knapp 7,5 Kilometer.
Die Einnehmerhäuser nicht nur in Preußen fallen auf, weil sie meistens bis heute dicht an der Fahrbahn stehen. So konnte das Chausseegeld bei schlechtem Wetter auch durch ein Fenster kassiert werden. Ein davor stehender Schlagbaum sperrte die Straße solange, bis das Chausseegeld entrichtet worden war. Außerdem war die Straße vor den Häusern meistens gepflastert, sonst hatte die Chaussee typischerweise eine festgewalzte Schotter-Oberfläche nach dem Makadam-Prinzip. Zum 1. Januar 1875 hob Preußen das Chausseegeld für die Staatsstraßen auf, wenige Jahre später entfiel es auch für die Aktien- und Kreisschauseen.
Nördlich von Wusterhausen blieb auf der Ostseite der Bundesstraße 5 zudem ein Ganzmeilenstein erhalten. Ursprünglich hingen dort gusseiserne Tafeln mit Entfernungsangaben nach Berlin und Hamburg. Später wurden die Entfernungen nach Kyritz (5,5 Kilometer) und Wusterhausen (2,0 Kilometer) eingraviert.
Text: Sven Bardua