Mehr als 300 Jahre ein wichtiger Industriestandort
Wer heute auf die Dosse blickt, kann sich das Potenzial dieses Flusses nur mit Mühe vorstellen. Doch sie war ein entscheidender Standortfaktor. Die Dosse lieferte die Wasserkraft für den Antrieb der Poch- und Hammerwerke sowie Gebläse des Hüttenwerkes ebenso wie später für die Papierfabrik. Erst Wasserräder, später Turbinen nutzten die Wasserkraft für den Antrieb aller Maschinen in der Papierfabrik. Zum Schluss erzeugten die Turbinen noch Strom, ehe die Wasserkraftanlage spätestens 1967 stillgelegt und der – an der Oberfläche noch gut sichtbare – Turbinengraben zugeschüttet wurde.
Der Fluss diente auch dem Warentransport. Als Reichswasserstraße war er auf einer Länge von 17,2 Kilometer bis in das 20. Jahrhundert hinein für kleinere Schiffe – 26,20 Meter lang und 3,86 Meter breit – schiffbar. Über die Havel und die Elbe ließen sich so Güter über große Entfernungen nach Hohenofen transportieren. Einst sollen bis zu 30 Schiffer mit ebenso vielen Kähnen im Ort ansässig gewesen sein. Doch die Leistungsfähigkeit der Dosse als Wasserweg war begrenzt. Deshalb bekam die Papierfabrik schon 1903, ein Jahr vor der durchgängigen Inbetriebnahme der Brandenburgischen Städtebahn, einen Gleisanschluss.
Schließlich diente das gereinigte Wasser der Dosse als Prozesswasser in der Fabrik. Denn Papier lässt sich nur mit sehr viel Wasser herstellen. So entstehen seine herausragenden Qualitäten. Dieses so leistungsfähige „Alltagsprodukt“ ist äußerst dünn und flexibel – trotzdem relativ stabil. Und es lässt sich unter anderem beschreiben, bedrucken und als Verpackung verwenden. Gegenüber von der Fabrik, nördlich der Neustädter Straße, weisen die Filterteiche und mittendrin ein Filterhaus auf die Bedeutung des Wasser für die Fabrik hin. In diesen Teichen konnten sich die im Dossewasser enthaltenen Schwebstoffe absetzen. Anschließend wurde das Wasser in Kiesfiltern gereinigt, ehe es zur Fabrik gepumpt wurde, die große Mengen sauberen Wassers benötigte.
Seit dem letzten Umbau 1967/68 stellte die Fabrik nur noch Transparentzeichenpapier her, lieferte es in das sozialistische Wirtschaftsgebiet bis nach Kuba, zum Teil auch in die Bundesrepublik. Dafür wurde Zellstoff unter Zugabe von viel Wasser in Holländern vermahlen. Der Holländersaal ist einer der beeindruckendsten Räume der Fabrik. In diesen Mahlwerken zerreiben Messer aus Stein die festen Bestandteile der Suspension. Ziel war ein schmieriger Halbstoff mit weitgehend zerstörten Fasern. Bei anderen Papierqualitäten werden die Fasern dagegen nur gekürzt, bleiben also in ihrer Grundstruktur erhalten. Je nach Papierqualität werden während des Mahlvorganges Füllstoffe, Bindemittel wie Leim sowie diverse Hilfsstoffe in die Holländer gegeben. So entsteht der Ganzstoff für die Papiermaschine.
Die in Hohenofen unter dem Holländersaal aufgestellte Papiermaschine ist 48 Meter lang. Der auf das Sieb der Papiermaschine gegebene Ganzstoff hatte eine Wassergehalt von etwa 98 Prozent. Auf dem Langsieb – ein 1,80 Meter breites Endlosband – wurde dieses Stoffgemisch entwässert und in Laufrichtung quer gerüttelt. So konnten sich die Fasern für die Blattbildung auf dem Weg zur Walzenpartie verfilzen. Auf dem Sieb lief zudem der größte Teil des Wassers ab, auch weil die darunter arbeitenden Saugerkästen es hindurchzogen.
Dabei bewegte sich das Sieb mit einer Geschwindigkeit von 25 Metern pro Minute vorwärts. Im Vergleich zu modernen Papiermaschinen war dies äußerst langsam, für Transparentzeichenpapier aber ist dies gut. Das am Ende der Siebpartie immer noch sehr nasse Faservlies ließ sich nun auf ein Filztuch übertragen und so zwischen den ersten Walzen (Nasspressen) hindurchführen, die weiteres Wasser herausdrückten, ehe die Papierbahn zwischen weiteren Walzenpaaren hindurch über erhitzte Trockenzylinder geführt wurde. Am Schluss wurde es noch über einen Kühlzylinder geführt und zudem leicht befeuchtet. Denn ganz trockenes Papier hätte die Umgebungsfeuchtigkeit aufgenommen und wäre wellig geworden. Das Papier wurde bei Bedarf geglättet und dann geschnitten. Im gut belichteten Papiersaal im Obergeschoss der Fabrik sortierten, zählten und prüften dann Arbeiterinnen einzeln die Bögen, ehe sie für den Versand verpackt wurden.
Bruchteile von Fasern und feinste Füllstoffreste wurden auf der Siebpartie der Papiermaschine mit dem vielen Wasser in einen Kanal gespült. Ursprünglich leiteten Papierfabriken dieses Wasser ungereinigt in die Flüsse und verschmutzten sie. Längst aber klären die Papierfabriken ihr Abwasser mit immer aufwendigeren Techniken. So hatte die Papierfabrik Hohenofen eine Faserstoffrückgewinnungsanlage. Damit wurden die Stoffverluste stark reduziert und weniger Abwasser in die Dosse gespült. Später wurde diese Anlage modernisiert. Dadurch konnte auch der Wasserverbrauch gesenkt werden, weil große Teile des Prozesses nun in Kreisläufen abliefen. Ein Teil der Faserstoffrückgewinnung waren Klärtürme, von denen einer auf dem Hof der Papierfabrik erhalten geblieben ist. Bei diesem Trichterstofffänger wird das Abwasser unten, an der Spitze des Behälters eingeleitet. Dank seiner trichterförmigen Bauweise verringert sich nach oben die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers, sodass sich die Teilchen darin abgesetzt haben, wenn das gefilterte Wasser oben die breite Seite des Trichters erreicht und entnommen wird. Die wertvollen Stoffreste lassen sich unten abziehen.
Die heutige Fabrikanlage entstand in großen Teilen 1888 sowie 1905/06. Später verhinderten wirtschaftliche Schwierigkeiten der jeweiligen Unternehmer mehrfach die Modernisierungen. Umgebaut wurden die Maschinen zuletzt vor allem 1967/68, auch um 1955 und 1980 gab es kleinere Investitionen. Der letzte große Umbau betraf das Transparentzeichenpapier, welches die Fabrik seit 1968 ausschließlich herstellte. Bis dahin waren mit Zellstoff und mit Lumpen noch eine große Vielzahl von Papierqualitäten auf derselben Papiermaschine hergestellt worden. So stellte das allein das Zweigwerk Hohenofen des VEB Feinpapierfabriken Neu Kaliß außer Transparentzeichenpapier auch Bücherschreibpapier, Registerkartenkarton, Manilakrepp, Rändelpapier und Packpapier her.
Im Kern blieb die Technik in der Papierfabrik so erhalten wie sie vor etwa 100 Jahren üblich war. Und der einstige Prozess in dieser vollständig erhaltenen Produktionslinie für Papier lässt sich immer noch gut nachvollziehen. Am 1. Juli 1838 hatte sie als Zweigwerk der Patentpapierfabrik Berlin ihren Betrieb aufgenommen. Seit 1836 an dieser Stelle investiert hatte die Königliche Seehandlung Berlin, welche die hier brachliegende Seigerhütte und die einst für die Spiegelmanufaktur in Neustadt arbeitende Poliermühle übernommen hatte.
Im September 1990 verließ das letzte Papier die Papiermaschine der Fabrik Hohenofen. Endgültig stillgelegt wurde der Betrieb zum 31. Dezember 1991. Seitdem setzen sich wenige Engagierte für den Erhalt des einzigartigen Ensembles ein. Der 2003 gegründete Förderverein Patent-Papierfabrik Hohenofen e.V. konnte die Bemühungen verstetigen. Die Immobilie ist heute ein Technisches Denkmal, das für Kulturveranstaltungen und als Museum ebenso dient wie als Gewerbehof. Wegen der umfassenden, im Oktober 2020 begonnenen Sanierungsarbeiten an den Gebäuden können Besucher allerdings für einige Zeit immer nur Teile des großen Komplexes besichtigen. Sven Bardua