Mehr Wasser für Dampfloks
Nach dem Ersten Weltkrieg dürfte die Wasserversorgung der Dampflokomotiven in Neustadt (Dosse) schwierig geworden sein. Denn der in der Nähe des Bahnhofsgebäudes stehende, etwa zwölf Meter hohe Wasserturm war mit seinen 100 Kubikmeter fassenden Behältern für den stark gewachsenen Bedarf des Bahnhofs längst zu klein geworden. In Neustadt traf sich die Hauptstrecke Berlin–Hamburg mit dem Abzweig nach Pritzwalk und der damals noch privatrechtlich betriebenen Brandenburgischen Städtebahn (nach Rathenow) und Ruppiner Eisenbahn (nach Neuruppin). Auch der Güterverkehr spielte eine große Rolle. Vor allem aber setzte die 1920 gegründete Deutsche Reichsbahn unter anderem mit der Schnellzug-Dampflok Baureihe 01 sowie der Güterzuglok Baureihe 44 auf den Hauptstrecken auf größere Lokomotiven mit entsprechenden „Durst“. Das im Flachland üblicherweise in Türmen gespeicherte Wasser musste also mit dem nötigen Druck und relativ schnell zu den Loks kommen. Deshalb ließ die Reichsbahn 1924/25 einen neuen Wasserturm an der heutigen Köritzer Straße in Neustadt bauen. Mit einer Gesamthöhe von 35 Metern und einem Behälterinhalt von 300 Kubikmetern übertraf er den Vorgängerbau deutlich. Vermutlich um 1990 wurde der Turm stillgelegt. Jahrelang bemühten sich Ingo und Bianca Zander vom Antikhandel in Segeletz um die außergewöhnliche Immobilie mit sechs Geschossen, um sie herzurichten und unter anderem als Wohnraum zu nutzen. Dies berichtete die Märkische Allgemeine am 7. Oktober 2015. 2014 sei der Kauf des Turms mit der benachbarten Tischlerei und eines „Turmwächtergebäudes“ dann gelungen. Im folgenden Jahr wurde er zum Teil saniert, bekam vor allem ein neues Dach. Dabei wurde auch die etwa 1,70 Meter hohe Turmspitze erneuert, die umgekippt auf dem Dach gelegen hatte – weil das kupferne Bauteil einst mit mehr als 20 Einschüssen traktiert wurde und so Wasser in die Konstruktion gelaufen war.
Text: Sven Bardua